“Ich habe meine Frau auf die andere Seite begleitet” – Matze, Papa von 2 kleinen Töchtern

auf die andere Seite begleitet. Matze und Albert im Gespräch bei Meminto Stories

“Unsere Ärztin hat meiner Frau noch 6-12 Monate gegeben. Daraus wurden 2 Wochen.” Von der Schock-Nachricht bis zum Tod seiner Frau vergingen nur 10 Monate. Eine sehr intensive Zeit, die von der jungen Familie mit den zwei Mädels alles abverlangte. Über die letzten Stunden spricht Matze in dieser Episode.

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Extra: Ende letzten Jahres hat Matzes Frau Nelli selbst über ihre Erfahrungen gesprochen. Diese Aufnahme veröffentlichen wir mit freundlicher Zustimmung von ihrem Ehemann:

Albert: Wie ist das eigentlich, wenn man in relativ jungen Jahren seinen Ehepartner verliert? Über das Thema spreche ich gleich mit Matthias und ich hätte mir gewünscht, einen nicht so fröhlichen Memento Jingle zu haben. Aber nun ja, steigen wir ein.

Albert: Ja, Willkommen zu einer neuen Episode von Geschichten schreibt das Leben mit Meminto Stories. Mein Name ist Albert Brückmann und ich habe heute den Matthias hier, der eine ganz interessante Kurzgeschichte mitgebracht hat. Matthias, was ist dir passiert?

Matthias: Hallo, Albert. Ich hab meine Frau, die verstorben ist, auf die andere Seite begleitet.

Albert: Okay. Das klingt dramatisch. Hören wir gleich mehr dazu. Matthias, erzähl uns doch mal ganz kurz noch etwas über dich, über deine Frau in paar Sätzen.

Matthias: Also Matthias Brückmann ist mein Name, tragen den gleichen Nachnamen. Ich bin 29, habe zwei Kinder. Meine Frau war 30 oder wurde 30! Und ja, das ist so Mal die Zahlen, Daten, Fakten. Und was ist uns passiert? Also meine Frau hat letztes Jahr im September die Diagnose Krebs erhalten bzw. wir. Ich war ja auch mit dabei. Und ja, wir haben viel gegen die Krankheit gekämpft und letzten Endes war es dann so, dass irgendwann wusste man okay, die Ärzte sagen auch schon, wir haben nicht mehr viel Zeit. Es wird, es ist eine begrenzte Zeit jetzt nur noch und wir müssen uns darauf vorbereiten, dass sie sterben wird. Der Zeitpunkt, wo uns die Ärzte gesagt haben, dass Nelli sterben wird. Da kam die Ärztin und meinte: Wir haben jetzt noch 6 bis 12 Monate Zeit. Lediglich waren es aber nur zwei Wochen. Also von der Info der Ärztin bis zu ihrem Tod waren es dann 2 Wochen anstatt sechs bis zwölf Monate. Und ja, wie hab ich meine Frau auf die andere Seite begleitete? Als feststand oder als ich gemerkt habe, dass sie sterben wird. Das hab ich daran festgestellt, dass der Sterbeprozess angefangen hat.

Albert: Wie sieht man sowas, wie?

Matthias: Ich, ich wusste ehrlich gesagt auch nicht, wie man sowas sehen kann. Wie? Wie kann ein Sterbeprozess anfangen? Aber man hat gemerkt, dass sich der Kreislauf zentralisiert. Also das ist jetzt ein bisschen medizinisch ausgedrückt, aber ich versuche kurz zu erklären. Es ist so, dass die Extremitäten, die werden vom Körper nicht mehr so versorgt, nicht mehr so durchblutet wie jetzt das Zentrum des Körpers, also das Herz einfach ist. Und ich habe einfach gemerkt, dass sie immer schwieriger atmet. Immer, ihre physische Verfassung wurde einfach von Stunde zu Stunde schlechter. Und dann hab ich gemerkt, dass solche blauen Flecken an den Extremitäten anfangen, vor allem an den Beinen, hat man’s dann gemerkt. Und so hab ich festgestellt, dass der Sterbeprozess anfängt.

Albert: Ihr wart im Krankenhaus zu dem Zeitpunkt.

Matthias: Genau. Wir waren auf der Palliativstation. Das ist die Station, wo quasi die Menschen begleitet werden. Palliativmedizin ist ein Bereich, wo die Menschen, ja man kann sagen beim Sterben begleitet werden.

Albert: Ja, okay, wir waren so die letzten Stunden. Was ist passiert?

Matthias: Als ich gesehen habe, dass dieser wie gesagt, dass der Prozess eingeleitet wurde durch den Körper, hab ich sofort die Familie informiert. Also ich war alleine zu dem Zeitpunkt bei meiner Frau und habe gemerkt Okay, ich muss jetzt die Familie informieren, damit sich alle noch verabschieden können, weil ich nicht wusste, dauert das jetzt noch zwei Stunden, 3, 4, 8, 10. Wusste ich zu dem Zeitpunkt einfach noch nicht. Das war so.

Albert: Wusste sie es denn? Hat sie etwas, wie hat sie mit dir kommuniziert in der Zeit noch?

Matthias: Also als ich wusste, dass ich die Familie informieren muss, konnte sie sich nicht mehr wirklich mit mir unterhalten. Das lag aber auch daran, dass sie eine sehr hoch dosierte Form von Morphium hatte, weil sie sehr Atemnot hatte. Durch die Atemnot bekommt man ja auch Angst und man hat versucht, ihr die Angst zu nehmen, dass sie ruhig wird, ihre Atmung ruhig wird und sie war nicht mehr in der Lage mit mir klar zu kommunizieren. Sie hat nicht erkannt. Sie wusste, ich bin da, aber sie hat mich jetzt nicht wirklich, wahrgenommen hat sie mich schon, aber nicht wirklich interagiert mit mir. Das war eher so eine Wahrnehmung.

Albert: Ja okay. Wie würdest du Nelli denn bis zu diesem Zeitpunkt beschreiben? Was war das für eine Frau?

Matthias: Bis zu diesem Zeitpunkt war es für mich die stärkste Frau, die mir jemals, die ich jemals kennengelernt habe. Die hat sogar meine Mutter übertrumpft. Absolut. Also Nelli war so stark, wie sie mit der Krankheit umgegangen ist. Sie hat es mit Würde getragen. Sie hat nie gemeckert. Klar, es gab Zeiten, wo sie einfach auch traurig war und sie sich gefragt hat: Warum? Warum? Ich bin so jung. Ich habe zwei Kinder. Das Leben geht doch jetzt erst los. Aber sie hat es immer mit Würde getragen. Und sie war so stark und das hat mich einfach extrem beeindruckt.

Albert: Okay. Deine zwei Kinder, die du gerade erwähnt hast. Eure zwei Kinder. Wie haben die diesen Prozess erlebt, als Mama jetzt gehen muss? Habt ihr sie davor beschützt oder habt ihr sie mit einbezogen? Wie ist das gelaufen?

Matthias: Also ich wollt. Nelli wollte eigentlich nicht, dass sie die Kinder nochmal sieht, aber ich dachte, dass es für die Kinder einfach gut ist, dass die einen sauberen Abschluss haben. Ich habe, bin nach Hause gefahren, die Kinder eingepackt und bin mit denen ins Krankenhaus gefahren. Und dann habe ich meine Kinder bewusst sich von ihrer Mutter verabschieden lassen. Das war ein sehr emotionaler Moment. Auch für Nelli. Sie hat dann die Kinder auch nochmal richtig wahrgenommen und hat sich in dem Moment auch sehr gefreut, sie zu sehen. Also sie war dankbar. Sie hat mir dann kurz ein Danke zugeworfen. Dass die Kinder nochmal daran, dass sie sie nochmal verabschieden konnte, nochmal umarmen konnte. Für die größere war es natürlich schon verständlich. Sie wusste was abgeht. Für die Kleine war es eher so, sie hat es nicht wirklich realisiert, aber für die Große war es schon heftig. Ich wollte sie nicht davor bewahren, weil ich denke, es wäre unfair den Kindern gegenüber sie es, denen diese Möglichkeit zu entziehen, sodass sie mir nachher den Vorwurf nicht machen können. Ich konnte mich nicht mehr von Mama verabschieden.

Albert: Und wie sind sie damit umgegangen?

Matthias: Relativ neutral muss ich sagen, diese Feststellung, dass jetzt Mama nicht mehr da ist, das kam bei Penina, also bei meiner älteren Tochter relativ zeitverzögert so. Aber in dem Moment, wo sie sich verabschieden konnte, hat sie es glaub ich auch nicht wirklich realisiert, was jetzt grad passiert. Sie hat zwar verstanden Mama ist krank und wird sterben, aber sie konnte es nicht wirklich fassen.

Albert: Ja okay, du hast gesagt, du hast sie auf die andere Seite begleitet. Wie ist das passiert? Also ich stelle mir das vor, man sitzt neben seiner Frau und weiß eigentlich gar nichts. Man kann nichts mehr machen, man ist irgendwie nur noch still. Wie ist das in eurer Situation gewesen?

Matthias: Also als der Prozess angefangen hat mit dem Sterben, habe ich sie durchgehend mit einem kalten Lappen gewaschen, weil ihr heiß war. Komischerweise. Das hab ich festgestellt, dass ihr plötzlich heiß wurde. Also als ob sie anfing zu schwitzen, als ob der Körper gegen etwas kämpft. Und ich hab dann einfach immer wieder kalte Lappen genommen, habe sie dann abgewaschen. Meine Schwiegermutter ist noch dazugekommen, die Schwestern. Als die Familie dann peu à peu dazugekommen sind, haben wir uns immer abgewechselt. Wir haben sie eigentlich durchgehend mit kühlen Lappen abgewaschen, abgestrichen, damit es ihr kühl bleibt. Und ja, dann, als die ganze Familie dann letzten Endes da war und die letzten dann wieder gegangen sind. Das war dann gegen 22 Uhr abends, also ging 15, 16 Uhr nachmittags hat der Prozess angefangen und gegen Abend sind dann die Familie gegangen und ich hab gesagt, ich bleibe auf jeden Fall bis zum Schluss. Vor allem, weil ich versprochen habe: Schatz, ich werde für dich bis zum Schluss dableiben. Und dann war noch ein Schwager von mir, und zwar ihr jüngster Bruder war noch mit dabei, mit mir. Wir waren zu zweit, wir haben uns abgewechselt. Wir sind alle halbe Stunde in der Nacht zu ihr. Man muss dazu sagen, ich war zu dem Zeitpunkt schon über 50 Stunden wach. Habe also nicht geschlafen, ich war eigentlich total fertig. Ich konnte eigentlich gar nicht mehr. Ich habe aber immer wieder gewusst, sie ist da. Ich muss für sie da sein. Ich will für sie da sein. Und dann haben wir uns in so einem Wartezimmer aufgehalten und sind dann immer im halbstündigen Rhythmus zu ihr und haben nach ihr geschaut. Sie war da schon nicht mehr ansprechbar. Und dann war es so, dass es dann schon halb vier, halb vier war. Und ich habe gemerkt: Okay, ihre Atmung hat sich verändert. Ich habe gesehen, die Medikation wurde angepasst, es wurde weniger Medikamente gegeben und als ich dann mit der Arzthelferin gesprochen hab, hat sie gesagt: Es ist bald so weit. Und dann hab ich gesagt: jetzt kann ich nicht mehr weg. Ich bleibe und dann als, so wie ich rein bin, hab ich das Gefühl gehabt, sie hat gespürt, dass ich komme. Ich habe ihre Hand genommen. Sie hat nochmal eine kleine Reaktion von sich gegeben, hat noch zwei, drei Atemzüge von sich gelassen und war dann weg.

Albert: Okay. Was war dein erster Gedanke dann, als du gemerkt hast, es ist vorbei. Wie hast du das aufgenommen?

Matthias: Ich, ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, wie ich in dem Moment denken soll. Dieser Moment war so krass, weil man einfach in dem Moment seine Frau verliert, abgibt und man kann es gar nicht wirklich fassen, dass die Person war vor zwei Minuten noch da. Also die Seele war noch da. Der Inhalt des Körpers. Und plötzlich ist es nur noch ein toter Körper und kein lebendiger mehr. Und es war so dieser Moment, das zu begreifen, das war, war. Ich wusste gar nicht, was, was mach ich jetzt? Jetzt, die ist jetzt nicht mehr. Dieses realisieren, sie ist jetzt nicht mehr da.

Albert: Denn der Tod gehört zum Leben dazu. Ja, wenn man es so selbst hautnah erlebt im näheren Umfeld, dann ist das nochmal was ganz, ganz anderes.

Matthias: Absolut. Ich war so dankbar, dass ich ihr das Versprechen halten konnte, bei ihr zu sein bis zum Schluss. Ich konnte ihre Hand halten. Ich konnte für sie da sein. Ich konnte einfach erleben, wie sie die letzten Atemzüge noch von sich gibt. Das ist ein Moment, den werde ich nie niemals vergessen und hat mich natürlich auch dahingehend sehr verändert, wie man mit seinem eigenen Leben umgeht.

Albert: Was hat Nelli in dir hinterlassen? Was hat das Ganze mit dir im Endeffekt gemacht? Vielleicht als Abschlussfrage?

Matthias: Ich, also Nelli hat sich, den Wunsch, den sie mir mitgegeben hat, auf den Weg ist: bete mit deinen Kindern. Also ich, ich soll ganz viel Zeit mit ihnen verbringen. Ich soll für sie da sein, mit ihnen jeden Tag ins Gebet gehen. Und das machen wir auch. Es gibt keinen Tag, an dem das nicht passiert. Aber auch sonst hat sie auch sehr, sehr viel, dadurch, dass sie mir ein großes Vorbild geworden ist in der Situation, in dem Umgang, hat sie mir einfach gezeigt, wie man auch in schwersten Dingen im Leben trotzdem immer das Positive herausziehen konnte. Und das hat sie einfach perfekt gemacht. Also wenn ich, ich wüsste nicht, wie ich mit dieser Krankheit umgegangen wäre, mit der Situation und mit dem Wissen, ich werde sterben. Werde zwei Kinder zurücklassen und eine Frau. Ich wüsste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Aber sie hat es so bravourös gemacht, dass sie mir einfach so eine, so ein Vorbild war und mir einfach gezeigt hat, in schweren Dingen, in schweren Situationen des Lebens kann man trotzdem was Gutes sehen.

Albert: Ja, toll. Ja auch solche Geschichten schreibt das Leben. Und deswegen danke ich dir, dass du uns einen Einblick gegeben hast, so in die letzten Stunden und Minuten, die du mit deiner Frau verbracht hast. Danke, dass du auch diese Offenheit hattest, das zu erzählen, weil es ist ja etwas, das kriegen andere gar nicht so mit. Vielen Dank für deine Zeit und ich glaube, vielleicht sag ich noch dazu man kann dir auch auf Instagram folgen. Du arbeitest die Geschichte jetzt auch ein bisschen auf mit deinen Mädels auch. Und finde ich stark von euch, dass ihr euch dazu entschlossen habt und viel Segen euch dabei.

Matthias: Dankeschön.

Albert: Mach’s gut. Tschau.

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