„Guck mal, Schatz, in China gibt es einen Ort, da müssen alle Menschen eine Maske tragen, das sieht ja lustig aus“. Christian, der bis gerade noch in seine Zeitung vertieft war, schaut kurz hoch, ob von seiner Frau eine Antwort kommt. Aber Susannes Reaktion beschränkt sich nur auf ein kurzes „Aha“.
Susanne kommt ins Grübeln
Während Christian sich wieder der Zeitung zuwendet, fängt Susanne an zu grübeln. Dieses „Schatz“ da gerade, hat er das ernst gemeint, oder war das nur so eine Floskel? Bin ich wirklich noch sein Schatz, den er vor neun Jahren stolz und glücklich hier über die Schwelle dieses Hauses getragen hat, um ein gemeinsames Leben zu führen? Nach dieser großartigen Hochzeitsfeier, wo ihnen alle Freunde und Verwandten immer wieder bestätigen mussten, was sie doch für ein tolles Paar seien und wie gut sie zusammenpassen.
Eigentlich hatte Susanne nie Zweifel
Da hat Susanne auch nie dran gezweifelt, bis heute nicht, aber irgendwie empfindet sie doch, dass sich in ihrer Beziehung etwas verändert hat. Nicht offensichtlich, und auch für Außenstehende nicht erkennbar. Sie hatten nie ernsthaft Streit und alle Dinge fast immer einvernehmlich geregelt. Aber trotzdem hat Susanne das Gefühl, dass durch die Routine des Alltags eine gewisse Oberflächlichkeit in ihrer Liebe zueinander Einzug gehalten hat. Ist sie wirklich noch so glücklich wie am Anfang? Sie hätte es sich im Leben nicht träumen lassen, dass sie sich da mal Gedanken drüber machen würde.
Skiurlaub – das Highlight für Christian
„Haben wir eigentlich schon die Hotelbestätigung für unseren Skiurlaub im April bekommen?“ Susanne denkt kurz nach. „Ja, die ist da, die E-Mail hatte ich Dir Anfang Januar weitergeleitet“, lautet ihre Antwort. Dieser Skiurlaub, das ist auch so ein Thema.
Christian hatte großen Wert daraufgelegt, in diesem Jahr den Urlaub mit mehreren befreundeten Pärchen zu verbringen. Susanne wäre lieber mit Christian alleine gefahren. Schließlich gehen sie beide einem anstrengenden Beruf nach, und durch ihren Schichtdienst als Krankenschwester kommt die gemeinsame Zeit häufig viel zu kurz. Aber sie hat sich Christians Wunsch gebeugt. Er ist halt ein geselliger Typ, und eigentlich ist Susanne auch gern mit den Freunden zusammen. Aber es ist einfach was anderes als ein Urlaub nur zu Zweit.
Der Abend ist gelaufen
Als Susanne nach einer Spätschicht Anfang März nach Hause kommt, schaut Christian ziemlich betreten drein. Wortlos hält er ihr sein Smartphone entgegen. Eine E-Mail ihres Hotels in Österreich, die sehr bedauern, dass die Einreise für die nächsten Wochen aufgrund dieses Virus nicht möglich sei. Das ist aber sehr ärgerlich, zumal sie bereits eine Anzahlung geleistet haben und sich nicht sicher sind, ob sie das Geld zurückerhalten.
Der Abend ist für Christian gelaufen. Genehmigte Urlaube müssen genommen werden, das gilt für beide. „Weißt Du, was das heißt, Susanne? Vierzehn Tage hier zu Hause hocken, und das an Ostern, das ist ja der blanke Horror“. Christian macht seinem Unmut kräftig Luft. Na ja, denkt Susanne, Horror ist was anderes, zum Beispiel das, was ich jeden Tag im Krankenhaus erlebe. Wo sich die Wünsche vieler Menschen auf deutlich weniger reduzieren. Dagegen ist ein stornierter Skiurlaub wirklich ein Luxusproblem. Fast wäre sie geneigt, mit Christian einen Streit anzufangen. Aber klar, er hatte sich ja auch wirklich sehr auf diesen Urlaub gefreut.
Zweisamkeit auf Anordnung
Als sich Susanne Anfang Dezember rückblickend jetzt so ihre Gedanken zum Jahresende macht, muss sie lächeln. Denn die Pandemie zwingt die beiden, auch den Jahreswechsel in trauter Zweisamkeit zu verbringen. Aber nach den Erfahrungen und Ereignissen im abgelaufenen Jahr sind sie jetzt einfach glücklich darüber, die Zeit an Silvester alleine zu sein.
Schlechter Ersatz für einen Skiurlaub
Sie hatte Christian nach der Hotelabsage im März spontan einen Vorschlag gemacht: „Wenn wir Ostern zwei Wochen Urlaub zu Hause machen müssen, dann werden wir eben jeden Tag etwas Schönes unternehmen. Jeder darf Wünsche äußern, und einen Tag machen wir das, was Du möchtest und dem anderen Tag darf ich mir was wünschen“. „Toller Ersatz für einen Skiurlaub“ hatte Christian damals nur gebrummelt.
Aber irgendwie hat er sich dann doch auf die Idee eingelassen, und Susanne hat sich sehr gewundert, wie kreativ ihr Christian sein konnte. Einmal einen ganzen Tag lang ein schönes Buch lesen, eine gemeinsame Wanderung um ihren Heimatort, gemeinsam ein Hochbeet bauen, gemeinsam den Keller entrümpeln, gemeinsam, gemeinsam, gemeinsam…
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Verzichtet und doch gewonnen
Beide stellten plötzlich fest, wie gut diese zwei Wochen ihrer Liebe zueinander taten. Wenn sie auf einer Fahrradtour eine Pause einlegten und Arm in Arm von der Aussichtsplattform ins Tal schauten. Wenn sie nach ihrer Entrümpelungsaktion müde, aber glücklich, auf dem Sofa saßen und ein Glas Wein tranken. Es waren immer wieder diese besonderen Momente, in denen sie das Glück ihrer Beziehung neu erlebten. Und selbst Christian musste nach dieser Zeit zugeben: „Susanne, diese zwei Wochen waren wertvoller als jeder Skiurlaub. Wir haben zwar auf vieles verzichtet, aber so viel mehr dazu gewonnen“.
Und wenn Christian jetzt von Susanne mal vorsichtig auf einen Skiurlaub im nächsten Jahr angesprochen wird, dann sagt er nur ganz relaxt: „Darüber machen wir uns Gedanken zum Jahresende hin.“
Im ganzen Jahr waren sie, wie alle anderen auch, von den starken Einschränkungen durch die Pandemie betroffen. Aber irgendwie hat sie das gar nicht mehr groß gestört. Christian war wie ausgewechselt und immer bemüht, wo es nur ging, Susanne seine Liebe zu zeigen.
Wunschlos glücklich
Und als jetzt Susannes Gedanken zum Jahresende wandern, fühlt sie sich auf einmal sehr glücklich. Denn in den Weihnachtsferien wollen sie das Zimmer für den kleinen Erdenbürger, der da unter ihrem Herzen heranwächst, einrichten. Nach über neun Jahren Ehe ist endlich ihr großer Wunsch nach einem Kind in Erfüllung gegangen. Sicherlich auch ein Resultat ihrer neu aufgeflammten Liebe. Jetzt, am Jahresende, ist Susanne einfach nur dankbar für die glückliche Entwicklung in ihrem Leben und in ihrer Beziehung. Wenn sie daran denkt, welche Gedanken sie sich am Anfang des Jahres noch gemacht hat.
Als Christian von der Schwangerschaft erfahren hatte, war er total aus dem Häuschen. Er, der doch am liebsten Sport trieb, mit Freunden zusammen war und immer irgendwas unternehmen wollte. Jeder bekam jetzt von Christian das Ultraschallfoto unter die Nase gehalten, ob er wollte, oder nicht. Er platzte fast vor Stolz, und Susanne war von seiner Reaktion völlig überrascht. Sie hatte sich schon lange ein Kind gewünscht und konnte ihr Glück kaum fassen. Aber das Christian sich auch so freute, dass machte ihr Glück perfekt.
Und auch die Gedanken zum Jahresende hin, die sie sich über den nächsten Skiurlaub machen wollten, haben sich erledigt. Da sind sich beide drüber einig.