“Ich hatte mehr Angst vor den Soldaten als vor dem Tod” – Omar, geflohen aus Damaskus

Angst vor den Soldaten
Omar ist 14 Jahre alt, als der Krieg in Syrien ausbricht. Mit zunehmender Zeit verschlechtert sich die Situation in seiner Heimatstadt Damaskus. Die Regierung und die Rebellen werden immer unberechenbarer, und so steigt die Angst von Omars Familie mit jedem Tag. Als plötzlich einer von Omars Kommilitonen auf dem Weg zur Uni von Soldaten abgefangen und eingezogen wird, folgt er dem Rat seiner Eltern, aus Syrien zu fliehen. Über seine Reise hat Anja Lehmann ein Buch geschrieben: “Sehnsucht nach Damaskus“. In diesem Podcast spreche ich mit ihm über sein Erlebnis und frage ihn, ob er sich vorstellen kann, wieder zurück zu gehen. Albert: Hallo erst einmal bei Memento Stories. Das Leben schreibt Geschichten. Ich darf jetzt heute hier über Zoom zusammensitzen mit der Anja Lehmann und dem Omar. Omar, sag nochmal deinen Nachnamen. Omar: Abou Hamda. Albert: Abou Hamda. Okay. Ja, es freut mich, dass wir uns so getroffen haben. Das ging dann doch über Instagram ein bisschen hin und her. Ich hatte euch irgendwie vor ein paar Monaten gefunden. Auch das Buch, das Anja über dich geschrieben hat. Und es klang so interessant, dass ich Kontakt zu Anja aufgenommen hatte und gesagt hatte: kannst du uns nicht ein bisschen mehr erzählen über den Omar, der ja auch eine ganz bewegte Geschichte während dieser Flüchtlingskrise erlebt hat? Und ich möchte jetzt gar nicht so viele Worte machen. Die Anja hat mir in einem Satz geschrieben, was du erlebt hast, was dir passiert ist. Und zwar hat sie gesagt, dass du als 19-jähriger Student aus Syrien, aus Damaskus geflüchtet bist und dass du alles zurückgelassen hast, was irgendwie da war. Kannst du uns das so ein bisschen erzählen, diese Geschichte, das Besondere, was da stattgefunden hat? Und Anja, du als die Autorin des Buches, du kannst natürlich gerne mithelfen, diese Geschichte nochmal zu umreißen. Omar: Also ich musste halt flüchten, ich musste mein Land verlassen und eine andere Platz finden halt, wo Frieden ist. Und natürlich, es war nicht so einfach. Also ich hab eigentlich das Schlimmste erlebt, was man erleben kann und das ist halt Krieg, Flucht. Anja: Du wolltest ja gar nicht flüchten. Du hast ja deine Heimat sehr gerne gehabt. Und hattest da auch eigentlich ein super Leben oder ein gutes Leben vor dem Krieg. Na, bist aufgewachsen, ganz normal wie ein Jugendlicher hier vielleicht. Natürlich unter anderen kulturellen Voraussetzungen. Aber du hast ja dann auch studiert, weil du gedacht hast, es wäre ein gewisser Schutz, dass du nicht in den Krieg eingezogen wirst. Und ja, das hat mich schon bewegt, dass Omar halt sozusagen, seine Eltern auch gesagt haben: Komm, flieh, hier gibt’s keine Zukunft für dich. Und Omar hat mir aber erzählt, er wollte immer noch nicht fliehen, sondern er wollte halt, er hatte auch eine Freundin da und alles und hatte gehofft, mit ihr ein Leben aufzubauen und hat sich auch wohlgefühlt als Student und dann gab’s ja ein Ereignis, da hast du dann doch gesagt, du musst fliehen. Albert: Was ist da passiert? Omar: Also wir haben immer unter Ängste gelebt und dann halt mit der Zeit hat man sich daran gewöhnt. Weißt du, dass man, also wenn Bomben runterkommen oder so, das ist normal. Es ist blöd, es hört sich jetzt vielleicht blöd an, aber also die Angst, von der von den Soldaten oder von den Präsenten war größer als die Angst vor Sterben. Wenn man entführt wird oder irgendwas, da hatte ich mehr als dass ich sterbe. Weil wenn man stirbt, ist das alles vorbei, weißt du? Aber wenn man festgenommen wird, ohne Grund zu haben oder irgendwas und da wird man das Schlimmste erleben, da im Knast und so, weißt du? Albert: Die Anja hat gesagt, dass deine Eltern dich schlussendlich weggeschickt haben. Das heißt, deine Eltern sind drübengeblieben und du hast dich auf eigene Faust auf den Weg gemacht? Omar: Meine Eltern haben mich immer dazu überredet. Wir hatten einen Kumpel an der Uni, wir hatten da Prüfungen und er war auf dem Weg zu der Prüfung. Und die haben, also die Soldaten, haben ihn festgenommen. Albert: Aus welchem Grund? Omar: Sie nehmen einfach die Leute. Sie brauchen Leute, entweder zu Soldaten oder. Es ist es, wir haben, so wie kannst sagen, im Wald gelebt, weißt du? Es gibt kein Gericht mehr. Es gibt keine Gesetze. Gar nicht. Jeder macht, was er will. Und dann kam, nach zwei Tagen kam seine Mutter zur Uni, hat nach ihm gefragt, ob ihn jemand gesehen hat oder so. Aber der ist nicht gewesen an dem Tag an die Uni. Wir wissen nicht, was mit ihm passiert ist und davor hatte ich Angst. Und da war halt der Blick, wo ich mir gesagt habe: Nein, hier kann ich nicht mehr bleiben. Albert: Wie ist denn deine Flucht vonstattengegangen? Du, bist du dann zu Fuß los oder wie bist du hier angekommen? Anja: Zuerst bist du mit einem Flugzeug in die Türkei. Die Türkei hat ja damals, da durften die Syrer einreisen. Omar: Von der Türkei bis Griechenland. Mit dem Boot. Albert: Okay. Und aus Griechenland? Wie ging es dann weiter? Omar: Ja, da also die meiste war zu Fuß. Albert: Mazedonien, Omar: Serbien, Ungarn, Österreich und dann Deutschland. Albert: Okay, wie ist dir die Ankunft in Deutschland erschienen? Wie bist du aufgenommen worden? Omar: Ich musste erstmal bei der Polizei bleiben, weil ich war der Einzige von der Gruppe, der mit gekommen ist, der englisch gesprochen hat. Und dann musste ich übersetzen. Und dann kamen noch andere Leute, andere Gruppen. Und deswegen bin ich dageblieben, um zu übersetzen. Albert: Was machst du heute, Omar? Omar: Ich arbeite bei Rewe. Albert: Ach so, du bist direkt bei Rewe in der Filiale. Aja. Schön. Anja, jetzt ist der Omar natürlich von Syrien hierhergekommen. Wo bist du in sein Leben gekommen? Wie bist du mit ihm in Berührung gekommen? Anja: Also ich, ja, ich schreibe ja hauptsächlich Bücher, aber nebenbei arbeite ich eben auch im Büro von unserem Familienbetrieb. Das ist ne Tankstelle. Also wir haben vier Tankstellen im fränkischen Raum und Omar hat sich irgendwann bei uns beworben. Das ist jetzt mal nichts Außergewöhnliches. Eigentlich bewerben sich ja viele für Kassierer Job. Und dann hat eben mein Schwiegervater ihn eingestellt und dann ist mehr. Mir ist als erstes aufgefallen, dass er halt immer sehr höflich war mit den, mit den Kunden. Das hat mir gefallen. Und ja, dann bekommt man am Rande mit. Und irgendwann hab ich mal, irgendwas hast du gepostet, Omar, Ich glaube irgendeinen guten Spruch oder was? Das hat mir gefallen, auf Instagram oder Facebook, ich weiß es nicht. Das war was so, dass man immer optimistisch sein soll, dass man nie aufgeben soll oder so. Und dann hab ich halt geschrieben. Ja, finde ich auch. Und dann haben wir ein bisschen hin und her geschrieben und dann ist mir aufgefallen, dass Omar auch sehr gut schreiben kann, einfach. Und dann sind wir dann ein bisschen ins Gespräch gekommen. Ja, und dann war es eigentlich, hat er mir von seiner Flucht erzählt und ein bisschen von seinem Leben. Und ich hab die Geschichte ein bisschen wie vor meinen Augen gesehen und fand das halt ne gute Idee da ein Buch draus zu machen, weil es eben auch, in dieses Buch. Man muss es ja bestimmter Weise aufbauen und es hat halt gut reingepasst einfach. Und ich hatte ein bestimmtes Gefühl dazu und das ist mir hoffentlich dann auch ganz gut gelungen oder uns. Albert: Wie hast du es genannt? Kannst du dazu was sagen? Anja: Also das Buch heißt Sehnsucht nach Damaskus. Albert: Ist das Buch im freien Handel verfügbar? Anja: Ja, kann man überall kaufen. Also als E-Book, als normales Buch. Albert: Hättest du dir wahrscheinlich auch nicht gedacht, Omar, dass es über dich eines Tages auch ein Buch gibt. Omar: Ne, ne. Albert: Schön. Okay. Der Buchtitel heißt ja Sehnsucht nach Damaskus. Wie fühlst du dich? Fühlst du dich hier jetzt Zuhause? Oder ist dort dein Zuhause? Wie? Was sagt dein Herz? Omar: Das Herz sagt Zuhause bleibt immer Zuhause, weißt du? Ich vermisse immer Damaskus, aber Frage ist, ob ich will dahin zurück gehen. Ehrlich gesagt, also, weiß ich nicht und ich bin mir nicht sicher, ob ich dort hingehe zurück, weil, weiß nicht. Die Leute, die dort sind oder halt, sag ich halt, die bösen Leute, die dort sind. Ich weiß nicht, ob ich halt wieder mit denen leben kann. Die sind halt überall dort, weißt du? Die Leute, die wo der Volkskrieg angefangen hat, die sich eingemischt haben und haben andere Leute umgebracht und so, weißt du? Und ich glaube nicht, dass ich mit solchen Leuten halt wieder leben kann, weißt du? Albert: Okay, gut, das ist natürlich eine ganz ganz wichtige Lebenserkenntnis, weil natürlich nicht nur dein Leben davon abhängt, sondern auch eines Tages vielleicht das Leben deiner Nachkommen. Ja. Gut. Ich danke euch erst einmal für dieses doch kurze, aber intensive Gespräch. Die Flucht aus Syrien, Damaskus über Griechenland und andere Länder, die dich dann hier nach Deutschland geführt haben. Du bist in Hamburg, im Norden von Deutschland, während du Anja ja eher im Süden, also im südlichen Teil zu sozusagen bist. Schön. Und trotzdem haben sich eure Wege gekreuzt. Und das ist doch das Besondere, dass wir auf unserem Lebensweg, dass sich Schnittpunkte ergeben, dass wir Menschen entdecken, die interessant sind und aus denen Leben, sich Geschichten ergeben. Und diese Geschichten können wir mit anderen Menschen teilen. Deswegen finde ich, habt ihr eine tolle Mission erfüllt. Omar, ich denke, das ist auch noch nicht zu Ende. Was du erleben wirst. Ich meine, oft ist es ja so, dass die Geschichte uns immer mal wieder an manchen Punkten in unserem Leben einholt und dass wir, dass wir vielleicht irgendwann doch das Gefühl haben, eigentlich möchte ich schon nochmal mein früheres Zuhause sehen. Was auch immer. Und dann ergeben sich neue Begegnungen, neue Schnittpunkte mit Menschen und auch dann wird es wieder interessant. Ich freue mich auf jeden Fall, dass ich euch hier im Podcast dabeihaben konnte, auch hier im Video und bedanke mich, dass ihr auch Zeit hattet, diese Geschichte einfach mit mir zu teilen. Vielen Dank dafür. Anja: Ja, danke, dass du uns eingeladen hast. Dass wir ein bisschen berichten durften. Albert: Sehr gerne. Anja: Wo kriegt man die Bücher, die du über die anderen Personen schreibst? Albert: Die schreibe ich ja nicht selber. Auf Meminto.com kann sich jeder sozusagen anmelden und dann kriegt er einen Assistenten. Und dieser Assistent entdeckt aus über tausend Fragen die 50 besten Fragen für dein Leben. Du gibst z.B. an, wie alt du bist, ob du eine Beziehung hast, ob du Kinder hast und dann suchen wir die 50 besten Fragen raus, stellen sie dir zur Verfügung in der Plattform und du kannst sie beantworten und Bilder hochladen und so weiter. Und am Ende hast du eine kleine Biografie oder eine Lebensgeschichte. Das geht aber nicht nur um dich selbst, sondern das haben wir auch für das Aufwachsen der Kinder. Das heißt, wenn man eigene Kinder hat, kann man so Fragen aus ihrer Perspektive. Dann kommen Fragen wie: Hey Mama, wie war es eigentlich, als ich zum ersten Mal in den Kindergarten gegangen bin? Und dann musste ich halt schon ein bisschen erinnern. Wie war das? War es ein trauriger Moment oder eben nicht? Und dann erzählt man dem Kind die Geschichte, wie man sie mit ihm erlebt hat. In diesem Buch. Anja: Ah süß, gute Idee. Omar: Ja, prima. Albert: Das Gleiche gibt’s auch noch für Beziehungen. Das heißt, man kann seine ganze Beziehung, selbst wenn man schon 30 Jahre verheiratet ist, nochmal Revue passieren lassen und die eigene Liebesgeschichte festhalten. Also breiter Einsatz. Also. Anja: Ja, Dankeschön. Albert: Macht’s gut. Tschau Omar, Tschau Anja.

Schreibe einen Kommentar