{"id":4167,"date":"2020-12-15T11:00:22","date_gmt":"2020-12-15T10:00:22","guid":{"rendered":"https:\/\/meminto.com\/de\/?p=4167"},"modified":"2024-07-25T14:27:25","modified_gmt":"2024-07-25T12:27:25","slug":"der-rudi-hat-so-eine-bewegte-lebensgeschichte","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/meminto.com\/de\/blog\/der-rudi-hat-so-eine-bewegte-lebensgeschichte\/","title":{"rendered":"Der Rudi hat so eine bewegte Lebensgeschichte"},"content":{"rendered":"\t\t
Schier endlos schob sich der Fl\u00fcchtlingstreck aus Ostpreu\u00dfen<\/a> Richtung Ostsee. Wer konnte, ging zu Fu\u00df, wer nicht mehr konnte, fuhr auf einem dieser klapperigen Leiterwagen, die von kr\u00e4ftigen Pferden gezogen wurden. Hunderttausende mussten ihre H\u00e4user und Wohnungen aus Furcht vor den russischen Soldaten verlassen, in der Hoffnung, den Hafen von Pillau zu erreichen. Dort sollten im Januar 1945 unz\u00e4hlige Schiffe die Fl\u00fcchtenden aufnehmen und in sichere Gebiete bringen.<\/p> Auch der 14j\u00e4hrige Rudolf, den alle nur Rudi nannten, trottete hungrig und frierend hinter so einem Leiterwagen, auf dem sich seine Mutter und seine Schwestern befanden, her. Der Vater war zur\u00fcckgeblieben, um mit einer armseligen Truppe und wenigen Soldaten gegen die rote Armee irgendwie noch Widerstand zu leisten \u2013 hoffnungslos.\u00a0<\/p> Immer wieder musste Rudi an sein Zuhause denken, an die warme Stube, an die Schule, an seine Familie und an seine Freunde. Alles mussten sie zur\u00fccklassen, bis auf ein paar Sachen, die sich auch auf diesem Leiterwagen vor ihm befanden. Rudi h\u00e4tte damals niemals gedacht, dass seine Lebensgeschichte<\/a> fernab der Heimat, die er nie wiedergesehen hat, fortgesetzt w\u00fcrde.<\/p>\t\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t Die Erinnerung an diese Flucht hat sich bei Rudi eingebrannt. Diese schweigende Masse an Erwachsenen, die Schreie der kleinen Kinder, die erfrorenen Menschen am Wegesrand, die Kommandos der Soldaten, die den Treck begleiten und sch\u00fctzen sollten. Als wenn die etwas gegen die russische \u00dcbermacht h\u00e4tten ausrichten k\u00f6nnen.<\/p> Sp\u00e4ter hat Rudi oft von dieser Flucht erz\u00e4hlt. Wie er diesen gut erhaltenen Stiefel gefunden hat und ihn kilometerweit mitgeschleppt hat, in der Hoffnung, auch noch den zweiten zu finden. Aus so einem Paar Stiefel konnte man schon richtig was machen in der damaligen Zeit. Aber als er nach \u00fcber drei Stunden keinen zweiten Stiefel gefunden hat, hat er die Hoffnung aufgegeben und den Stiefel wieder weggeworfen. Was sollte er mit einem einzelnen Stiefel?\u00a0<\/p> Umso mehr hat er sich ge\u00e4rgert, als er nach einer weiteren Stunde pl\u00f6tzlich am Wegesrand den zweiten Stiefel fand. Aber umkehren ging nat\u00fcrlich nicht, und vermutlich hatte irgendjemand den ersten Stiefel l\u00e4ngst gefunden und schleppte ihn jetzt mit, in der Hoffnung, den zweiten Stiefel auch noch zu finden.<\/p>\t\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t Irgendwie hatten es Rudi, seine Mutter und seine Schwestern bis zum Hafen Pillau geschafft. Dort standen sie jetzt mit tausenden Leidensgenossen, die alle darauf hofften, einen Platz auf einem der Schiffe zu ergattern, die sie in Sicherheit bringen sollten. Unvergesslich f\u00fcr Rudi war der Moment, als in dem dichten Gedr\u00e4nge pl\u00f6tzlich ein Mensch den Halt verlor und in das eiskalte Hafenwasser st\u00fcrzte.\u00a0<\/p> Ohne zu z\u00f6gern \u2013 und vor allem, ohne an sich selbst zu denken \u2013 sprangen zwei Soldaten hinterher, um den verungl\u00fcckten Mann aus dem Wasser zu ziehen. Zwei fremde Soldaten, die pl\u00f6tzlich Teil der Lebensgeschichte dieses Mannes wurden. Ihr Mut und ihre Selbstlosigkeit<\/a> hatten Rudi nachhaltig tief beeindruckt und er hat diese Geschichte seinen Kindern immer wieder erz\u00e4hlen m\u00fcssen.<\/p>\t\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t Irgendwann, nach einer beschwerlichen Reise auf einem v\u00f6llig \u00fcberf\u00fcllten Schiff und ebenso v\u00f6llig \u00fcberf\u00fcllten Z\u00fcgen, landete Rudi bei einem Hufschmied in Hannover, w\u00e4hrend seine Mutter und seine beiden Schwestern in M\u00fcnster bei Familien unterkamen. Um sich Unterkunft und Lebensunterhalt zu verdienen, konnte Rudi in der Schmiede mitarbeiten. Aber leider nur bis zu dem Augenblick, der sein Leben v\u00f6llig ver\u00e4nderte.<\/p>\t\t\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\t<\/div>\n\t\t\t\tSchreiende Kinder, schweigsame Erwachsene und zwei einzelne Stiefel<\/h3>
Im eiskalten Wasser dem Tod so nah<\/h3>
Neuanfang in Hannover<\/h3>